Zeit heilt nicht alle Wunden
In der Schockstarre der „Traumatischen Zange“ registriert, verarbeitet und speichert das Gehirn anderes als in Alltagssituationen. Es kommt zu Abspaltungen und Trennungen einzelner Sinneserfahrungen. Körperliche-, gefühlsmäßige-, gedankliche-, und Verhaltensaspekte, die sonst zu einem Erlebnis mit einem Anfang, einem Inhalt und einem Ende im Gedächtnis zusammengefasst werden können, werden als „fragmentierte Teile“ gespeichert. Es entstehen „eingefrorenen Erfahrungssplitter“. Durch Auslösereize im Alltag, so genannte Trigger, können die traumatischen Inhalte aktiviert werden und die Person erlebt „ ... als ob es wieder geschieht...“, immer wiederkehrenden Bilder, Gefühle oder Körperempfindungen.
Die sonst Trost und Hoffnung spendende Äußerung: „Zeit heilt alle Wunden“ ist bei einer solchen Symptomatik durch die moderne Traumatherapie- Forschung widerlegt.
Menschen haben im unterschiedlichen Maß verschiedene Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Selbstheilung nach potentiell traumatischen Erlebnissen. Unbehandelt hinterlassen Traumata aber oft zahlreiche körperliche und psychische Symptome, können zu Verhaltensauffälligkeiten oder Beziehungsproblemen führen und zu einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität.
Naturkatastrophen, Verkehrsunfälle, schwere Operationen, plötzliche lebensbedrohliche Erkrankungen, der Verlust eines geliebten Menschen, Überfälle, Kriegserfahrungen oder alle Arten häuslicher Gewalt wie:
Vernachlässigung, emotionale/sprachliche Abwertungen, körperliche Gewalt, sexuelle Misshandlungen in der Kindheit, der Jugend („sexueller Mißbrauch“), oder auch als Erwachsener, traumatisieren fast alle Menschen stark und führen oft unbehandelt zu vielfältigen Symptomen:
Unterschiedliche Formen von Ängsten, Depressionen, Suchterkrankungen, viele Formen der psychosomatischen Erkrankungen, wie hoher Blutdruck, funktionelle Magen -Darm Beschwerden, chronische Schmerzen u.a. werden von traumatherapeutisch ausgebildeten Ärzten/Therapeuten in neuerer Zeit zunehmend als Traumafolgestörung erkannt und können somit gezielter behandelt werden.
Die Psychotherapie für Menschen nach Traumatisierung richtet sich nach Art, Dauer und Schwere der Symptomatik und der erlebten Extremsituation.
Stabilisierung und Verarbeitung
Nach der Diagnostik und ausführlichen Erläuterung der theoretischen und praktischen Konzepte der modernen Psychotraumatherapie, kommt es zu einer mehr oder weniger langen Stabilisierungsphase, in der der Klient lernt, die oft vielfältigen Reaktionen des Körpers, der Gedanken und der Gefühle zu erkennen, einzuordnen und zu regulieren.
Mit inneren Ressourcen ausgerüstet und genügend stabilisiert, folgt eine möglichst schonende, strukturierte und langsame Annäherung an das belastende Ereignis um es zu integrieren.
Unterstützender therapeutischer Kontakt fördert dabei die Möglichkeit neuer Erfahrungen der Klientin / des Klienten von Kontrolle und Selbstwirksamkeit.
Zur wirksamen Traumabearbeitung werden unterschiedliche Wege individuell dem Prozess der Person angepasst.
Neben der gestalttherapeutischen Herangehensweise zählen Methoden aus der achtsamkeitsbasierten Körpertherapie "Somatic Experiencing", der" Teilearbeit mit dem inneren Familensystem", die imaginative „Bildschirmtechnik“ oder „EMDR" (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) dazu.
Eine Phase der Trauer und Neuorientierung schließt den Prozess der Traumaverarbeitung meist ab.